Vor genau zwei Jahren klang es noch ganz anders: „1000 Bäume und Büsche für Ingelheim“ lautete damals eine Forderung der SPD im Stadtrat. Dagegen gab es verständlicher Weise keinen Widerspruch. Gar von „einer grünen Lunge in der Neuen Mitte“ war in der Presse die Rede (AZ, 13. Mai 2009).
Blicken die Ingelheimer Bürgerinnen und Bürger heute auf die bereits vollzogenen Baumaßnahmen, haben die Investoren aus den schönen, „grünen“ Plänen viel Beton, Stahl, Glas und jede Menge versiegelte Fläche werden lassen. Zählt man die Bäume der jüngsten veröffentlichten Begrünungsplanung des Investors, kommt man statt der 1000 Bäume bislang auf ganze 21.
Nicht nur in dieser Hinsicht wurden die Erwartungen enttäuscht. Kommt man auf die Optik, zeigen sich Bürgerinnen und Bürger überrascht, um nicht zu sagen – entsetzt. „So massiv, so klotzig haben wir uns das Ganze nicht vorgestellt“, ist ein oft zu hörender Satz. Daran ändert auch die Propaganda zur Vermarktung der noch freien Mietflächen wenig, die wie das Pfeifen im dunklen Wald als Zweckoptimismus aus dem Rathaus schallt.
In seiner letzten Sitzung hat der Stadtrat – gegen die Stimmen von FWG und Grünen – den Wettbewerb zur Überbauung der Rathausfläche sowie des Marktzentrums beschlossen. Der Größenwahn droht sich zu wiederholen. Die Vorgaben des grundsätzlich zu begrüßenden Architekturwettbewerbes sind zu eng gehalten. Entgegen anderslautenden Meldungen ist die Größe der Kulturhalle mit 600 Plätzen definiert. Die Grünanlage an der Binger Straße würde geopfert. Eine massive Verdichtung durch Komplettverlagerung von WBZ und Musikschule bleibt nach Meinung der FWG eine städtebaulich fatale und falsche Entscheidung.
Oberbürgermeister Dr. Joachim Gerhard ist eine treibende Kraft hinter der Bauwut. Dem Ruf des scheidenden OB, aber auch dem politischen Klima der Stadt wäre sehr zuträglich, die umstrittene Überbauung von Marktzentrum und Rathaus auszusetzen, bis ein neues Stadtoberhaupt mit den Planungen befasst ist. Es sollte weiter Zeit eingeräumt werden, die Eckwerte im Stadtrat neu zu überdenken. Über den Friedrich-Ebert-Platz und den Neubau der Stadtbücherei/Mediathek herrscht politisch hingegen Einigkeit: Sie wären als nächste Baumaßnahmen voranzutreiben. Aus den genannten Gründen fordert die Freie Wählergruppe eine Denkpause in der für die künftige Identität Ingelheims entscheidenden Planung rund um das Rathaus.