I. FWG-Haltung zum Umgang mit den finanziellen Reserven der Stadt
Entscheidungen über Höhe und Zeitpunkt von Großinvestitionen
Gestatten Sie mir bitte am Anfang einige wenige, aber wichtige Zahlen aus dem Haushalt zu zitieren:
- Die Stadt Ingelheim wird zwischen 2009 und 2011, also in nur drei Jahren, 114 Mio E aus ihrer Rücklage genommen haben. 184 Mio E Rücklagen per
- Aus Netto-Personalkosten in 2008 – also nach Abzug von Zuschüssen von Land und Kreis und ohne Sondereffekte wie a.o. Pensionsrückstellungen – von 10 Mio E werden innert dreier Jahre 2011: 15,4 MioE.
Anfang 2009 werden per Ende 2011 auf 70 Mio E abschmelzen.Dies sind nur zwei eindrückliche Beispiele, welch gewaltiges finanzielles Volumen hier bewegt wird, und dass den großen, bisher durchaus sinnvollen städtischen Investitionen auch innerhalb der Verwaltung unerwartete Kostensteigerungen folgen.
Mit den bekannten Neubau-Groß-Vorhaben wie WBZ/Musikschule-Komplettumzug, Nachnutzungsinvestitionen altes WBZ, 600 bis 800 Personen -Stadthalle, Abriss und Neubau der Tiefgarage, Rathauserweiterung, Ebert-Karree, Stadtbücherei, Verlagerung Bauhof und Feuerwehr, sollen in den Folgejahren bis 2014 weitere mindestens 75 Mio E investiert werden.
- Gleichzeitig sind wir Zeuge der Berliner Beratungen, die Gewerbesteuer abzuschaffen, was Ingelheim auf einen völlig neuen Stern bringen würde.
- Gleichzeitig sehen wir die Konsequenzen der anstehenden Änderungen im Finanzausgleichsgesetz des Landes.
- Gleichzeitig vernehmen wir, wie energisch unser Hauptsteuerzahler am Standort alle Kräfte anspannt, um mit neuen Produkten seine Chancen wahrzunehmen, aber auch, um nicht unbeträchtlichen Zukunftsrisiken Reserven entgegen zu setzen.
Die Botschaft lautet:
- Aufpassen, dass die Entscheidungen des Stadtrates über die städtischen Reserven nicht blind vertrauend auf fortgesetztem Manna vom Himmel getroffen werden.
- Aufpassen, dass die Entscheidungen des Stadtrates über Investitionen in städtische Hochbauprojekte und damit verbundene Folgekosten in Größenordnungen bleiben und zu Zeitpunkten erfolgen, die uns noch Reserven lassen.
Sie werden vielleicht sagen, dass dies doch eigentlich klar ist. Der Schreck der Finanzkrise hat uns ja alle erwischt.
Aber dem müssen wir entgegenhalten, dass die Mehrheit des Rates, zwar da und dort mäkelnd, aber bisher nur in Maximallösungen denkt und entscheidet. Ich möchte hier ohne Polemik als Beispiel nur das Thema WBZ-Umzug erwähnen. Und dass mit maximalem Tempo alles vorangetrieben wird.
Würden die entsprechenden Mehrheits-Entscheidungen des Rates auch Grundsätzen der Vorsicht folgen, müsste eigentlich eine Debatte über die Entwicklung der finanziellen Reserven und die Dimensionen der Bauvorhaben im Gange sein.
Ist aber nicht der Fall. Erste zarte Bedenken des OB in seiner HH-Rede vor vier Wochen mündeten in der unverbindlichen Empfehlung: "Wir müssen das Ausgabenwachstum bremsen".
Aber wie kann man Verbindlichkeit herstellen? Woran sollen wir uns orientieren?
Wir fordern:
- Dem Rat zeitnah, und nicht erst mit dem nächsten HH 2012, eine aktualisierte städtische Finanzplanung bis 2014 unter Einschluss der geschätzten Investitionssummen aller beabsichtigten Projekte und deren Folgekosten vorzulegen.
- Stets eine angemessene Rücklage von ca. 25 MioE zu erhalten.
- Über die beabsichtigten Investitionen von mindestens 75 MioE nur schrittweise, über die Jahre verteilt, zu entscheiden. Schrittweise heißt: sowohl über den Umfang als auch den Realisierungs-Zeitpunkt der einzelnen Projekte immer in Kenntnis der konkret zu erwartenden Entwicklung der städtischen Einnahmen, der Projekt-Folgekosten und der Rücklagenentwicklung zu entscheiden.
Wenn unsere Beschlüsse auf diese Weise untermauert werden, bleiben auch Neubewertungen aufgrund neuer Fakten möglich, wie z.B. demographische Entwicklung und Schülerentwicklung Musikschule. Ein solches Vorgehen ist dann nicht fehlender Mut für langfristig wirkende Vorhaben, denn Investitionen in die städtische Zukunft unterbleiben ja nicht, sondern sie können getroffen werden mit Augenmaß und Respekt vor den Unwägbarkeiten der Zukunft, vor den Steuerzahlern und Bürgern.
Die FWG wird für die 1. Ratssitzung im Januar 2011 einen entsprechenden Antrag einreichen.
Die an sich sinnvollen Vorschläge der CDU über Planstellen-Begrenzung und die seit zwei Jahren da und dort vorgebrachte Forderung nach dem Aufzeigen der finanziellen Folgen der Investitionen könnten dann endlich zu Konsequenzen führen. Sie hätten nicht mehr den Ruch von Ablenkungsmanövern von den an anderer Stelle vertretenen oder unterstützten Maximalvorstellungen.
II. Was wurde aus den FWG-Anträgen für 2010?
Nach dieser Betrachtung der Rahmenbedingungen und Grundlagen unserer großen Investitions-Entscheidungen möchte ich einige Themen auswählen, die im ablaufenden Jahr 2010 besondere Anliegen der FWG waren und realisiert bzw. begonnen wurden:
- Brunnen im Saal, Brunnen am alten Rathaus.
- zwei zusätzliche Geschwindigkeitsanzeigetafeln statt Radar-Geldstrafen.
- Unterstützung des Frauenhauses.
- Einsatz von Sozialarbeitern an den Brennpunkten jugendlicher Randale.
- Fortführung der Planung Naherholung entlang der Selz.
- Erstellen eines Solarkatasters für Ingelheim.
- Wenn auch immer noch seniorenunfreundlich – aber immerhin ab dem 2. Halbjahr deutlich verbesserte Ausführung der Pflasterungen im Saal.
- Auch freuen wir uns sehr über die nun fertig gestellte Ost-West-Umfahrung, seit 1984 ein Anliegen der FWG. Ein diesbezüglicher Hinweis des OB anlässlich der Eröffnungsrede wäre nach unserer Ansicht angebracht gewesen.
Für diese FWG-Anliegen, aber auch viele andere "erledigte" oder besser "abgearbeitete" Haushaltsanträge der FWG und anderer Parteien, die wir für richtig halten, möchten wir den Mitarbeitern der Verwaltung, hier vertreten durch den OB, sehr danken!
Gleichzeitig müssen wir aber an Haushaltsbeschlüsse über FWG-Anträge für 2010 erinnern, die noch unerledigt sind:
- Die beschlossene Abstimmkonferenz von WBZ, MGH, Mütze, Stadtbücherei dürfte nicht erst in 2011 stattfinden. Sie hätte bereits stattfinden müssen. Unübersichtlichkeit, Überschneidungen und Kannibalisierung des Angebotes dauern leider an und sind nicht akzeptabel.
- Das Thema Wasserkataster ist bisher nicht in Angriff genommen worden. Darunter wird das systematische Sammeln von Wissen über Quellen, Quellwasserleitungen, Brunnen und innerörtliche Gewässer – auch unterirdisch gefasste Wasserformen – verstanden. Wasser wird im Rahmen der Planung eines CO2-neutralen Ingelheims als Energiequelle eine Rolle spielen.
Wir dürfen wohl darauf vertrauen, dass diese Punkte in 2011 zügig anpackt und erledigt werden.
III. HH-Jahr 2011
Nun zu einzelnen Punkten des HH 2011:
Den Zielen der FWG entsprechend begrüßen wir alle Maßnahmen, die die Qualität Ingelheims als familienfreundlichste Stadt Rheinhessens verbessern, wie z.B.:
- Die Unterstützung der Hospitzgruppe.
- Die Schaffung einer Stelle zur Unterstützung und Koordination ehrenamtlicher Nachbarschaftshilfe für hilfsbedürftige ältere Menschen.
- Wir freuen uns über die Bereitschaft aller, die Nutzung von E-bikes im Tourismuskonzept der Stadt vorzusehen.
Wir begrüßen
- den Start der Planung für die Stadtbücherei – übrigens ein gutes Beispiel für Folgekosten, die noch unklar sind. Über das personelle Konzept wird daher unter Vorsitz von Frau Hilgert in der Fachgruppe aus Vertretern der Parteien noch beraten werden müssen.
Wir begrüßen
- die Durchführung eines Architektenwettbewerbs für die Bebauung des Rathausgeländes. Wir legen aber größten Wert auf Wettbewerbs-Vorgaben, die Platzierungsvorschläge für die verschiedenen Gebäude unter Nutzung auch der Grünfläche entlang der Gartenfeldstrasse zulassen. Sie sollen gleichberechtigt sein mit solchen Vorschlägen, die zur Schaffung einer Grünfläche entlang der Hauptverkehrsachse Gartenfeldstrasse davon ausgehen müssen, alles auf engstem Raume unterzubringen. Angesichts der großen Raumvolumina, die nach dem Willen der beiden großen Parteien und der Liste Klose dort unterzubringen sind, stehen den Architekten und den Räten insbesondere im Hinblick auf städtebauliche Auswirkungen schwierige Abwägungen bevor. Wir sind gespannt auf die Meinung der Bürger, die, so ist es zumindest verabredet, vor der Entscheidung gehört werden soll!
Wir begrüßen
- alle Maßnahmen, die das Angebot für generationenübergreifendes Wohnen verbessern sollen: Hierzu gehört leider nicht der im HuFa abgelehnte Antrag der FWG, einen Plan zu erstellen, wo in der Stadt hierfür Flächen reserviert werden sollen. Wir meinen, dass vermieden werden muss, wegen gewisser Kostenvorteile betreuender Dienste, "Alten- oder Seniorenviertel" – zu schaffen. Altersgemischtes Wohnen muss unser Ziel sein, an verschiedenen Stellen in der Stadt!
Wir möchten daher heute erneut beantragen, dass seitens der Verwaltung ein Plan geeigneter Flächen für altersgerechtes und generationenübergreifendes Wohnen erstellt und in den Gremien diskutiert wird.
Wir hoffen auf die Einsicht in die Notwendigkeit von Abwägungen und planvollem Vorgehen.
Unverständlich ist, dass der FWG-Antrag über die Erarbeitung und Fortschreibung der Strategien für unsere Beteiligungen (z.B. Rheinhessische oder Abwasserverband, WBI u.a.) abgelehnt wurde. Hier liegen erhebliche Kostenkonsequenzen für den Haushalt. Die Diskussion in der letzten Stadtratssitzung zur Dividendenpolitik der Rheinhessischen und Beteiligung der Stadt an der EDG hat die Defizite an Willensbildung und strategischer Orientierung gezeigt. Wir müssen davon wegkommen, immer wieder lediglich aus der Situation heraus geborene, situative Entscheidungen zu treffen.
Wir möchten daher heute erneut beantragen: Unter Einbeziehung der Aufsichtsgremien erarbeitet die Stadt einen Verwaltungsvorschlag für die strategische Entwicklung der Beteiligungsgesellschaften der Stadt mit abschließender Entscheidung im Stadtrat.
IV. Zusammenfassung
Ich möchte zusammenfassen:
Das ablaufende Jahr hat gezeigt, dass die Verwaltungskapazität trotz Einsatz und Engagements der Mitarbeiter einfach nicht für alles reicht.
Ebenso wird offenkundig, dass angesichts von Ungewissheiten über die zukünftigen Finanzeinnahmen die städtischen Reserven nicht unerschöpflich sind.
Beides sollte uns zu Zurückhaltung bzgl. des Umfangs unserer Projekte und im Tempo der Realisierung führen und zu schrittweisem Vorgehen anhalten. Bei Multi-Millionen-Projekten mit enormer städtebaulicher und finanzieller Konsequenz sind Hast und Eile schlechte Begleiter.
Die Stadt ist in den letzten Jahren auf ihrem Weg der Erneuerung der sichtbaren und unsichtbaren Infrastruktur enorm vorangekommen: Abwasserkanäle, Strassen, Kulturdenkmäler, das Saalgebiete, Schulen, Kindergärten, Sportstätten, die Aufzählung ließe sich sicher verlängern. Welche Stadt kann sich das schon leisten?!!
Nun ist die Stadtmitte an der Reihe. Die dort anstehenden Veränderungen, auf der Grundlage des Rahmenplanes, beschäftigen auch die Bürger. Nicht nur uns. Kühle Köpfe sind gefordert.
Wir sind gut beraten, auf die Art und Weise, wie wir Entscheidungen großer Tragweite treffen, und auf die Strategien, die wir verfolgen, Zeit und Nachdenken zu verwenden.
Die FWG stimmt trotz der angesprochenen Besorgnisse dem HH 2011 zu und bittet um Zustimmung zu Ihren beiden Anträgen.
Klaus Hüttemann für die FWG