Die FWG-Stadtratsfraktion beantragt im Rahmen der Beratungen zur Einzelhandelsbebauung Georg Rückert Straße (sogen. „Ergänzungszentrum“) die Aussetzung (nicht den Abbruch) der nicht öffentlichen Verhandlungen mit dem einzigen Bieter HBB/Molitor.
Eine Entscheidung über die planerischen Festlegungen für das Ingelheimer Stadtzentrum und die geplanten Grundstücksverkäufe soll auf einen Zeitpunkt nach den Kommunalwahlen 2009 vertagt werden.
Begründung:
Der Antrag wurde bereits zwei Wochen vor der Sitzung gestellt und hat die Veröffentlichung der aktualisierten, bisher nicht-öffentlichen Pläne eine Woche vor der Sitzung erreicht.
Obwohl damit eine unserer Forderungen, die Pläne offen zu legen, seit der Veranstaltung im WBZ am Montag den 23. März erfüllt wurde, ist der Antrag damit nicht überflüssig.
Für den FWG-Antrag gibt es weitere Beweggründe die im Folgenden erläutert werden:
Der Stadtrat debattiert nicht darüber, ob ein Kiesweg für ein paar Tausend Euro gepflastert werden soll, sondern es soll darüber entschieden werden, dass ein ganz neuer Stadtteil, die jetzt so genannte „Neue Mitte“ komplett privatisiert und dann von dem einzigen Eigentümer nach Gesetzen der Kapitalverzinsung gestaltet und vermarktet wird.
Die Bezeichnung „Investor“ für den künftigen Entscheider über unser Stadtzentrum suggeriert vielleicht, dass wir hier etwas geschenkt bekommen. Das ist aber nicht so! Investiert werden hier von der Stadt Ingelheim die zentralsten Grundstücke der Stadt, viele Millionen Euro für die Nutzung von KFZ-Stellplätzen, zahlreiche Immobilien, die für diesen Zweck extra angekauft wurden und weitere Leistungen. Verluste der Investorengemeinschaft können steuermindernd geltend gemacht werden.
In Wirklichkeit sind wir Stadträte heute die Investoren, diejenigen, die über das Eigentum unserer Mitbürger stellvertretend entscheiden. Diese Entscheidung wirkt sich über mehr als eine Generation aus!
Auf welcher Grundlage entscheiden wir denn heute?
Erinnern Sie sich bitte daran, dass wir mit Ratsmehrheit der Stadtverwaltung den Auftrag gegeben hatten, mit dem „Wettbewerbssieger“ HBB/Molitor und seinen Architekten in Verhandlung zu treten, mehr nicht!
Monatelang haben Experten von HBB/Molitor an der unfertigen Konzeption gearbeitet und mit den Spitzen der Verwaltung in zehn Verhandlungsrunden Modifikationen erarbeitet, mehr nicht!
Dann gibt es innerhalb von nur zwei Wochen zwei nichtöffentliche Sondersitzungen städtischer Ausschüsse, die zu 90 Prozent aus puren Laien bestehen, zur Vorbereitung der heutigen Entscheidung, eine, kurzfristig angesetzte öffentliche Präsentation am letzten Montag und nun soll heute abschließend entschieden werden.
Ich frage Sie liebe Stadtratskollegen wann hatten Sie diese Pläne und Informationen über das Projekt erstmals auf dem Tisch, um sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen? Sehen sie sich wirklich in der Lage, als Laien ein solches Urteil heute abgeben zu können, ohne sich sachkundig gemacht zu haben, ohne Rücksprache mit Ihren Wählern?
Da brauchen Experten monatelang um über Details zu verhandeln, das Ergebnis lässt noch viele Fragen offen, z. B. weshalb die Stellplatzverpflichtung, die jedem privaten Häuslebauer abverlangt wird, voraussichtlich dem Investor von der Stadt zu mehr als der Hälfte abgenommen und finanziert wird und viele andere Fragen, die noch zu klären sind.
Und wir als Laienpolitiker entscheiden jetzt mal eben über einen neuen Stadtteil wie die Hausfrau über ein Pfund Butter!
Wie können Leute, die am Montag das erste Mal die Pläne für „Die neue Mitte“ an einer Pinwand gesehen haben, sagen: „die Pläne sind gut, man soll endlich entscheiden“?
Niemand würde sich privat bei einem solchen Informationsstand auch nur ein gebrauchtes Auto aufschwätzen lassen.
Über jede Grünanlage in der Stadt wird länger in Ausschüssen und Rat diskutiert als über dieses Projekt und seine Details!
Die FWG-Fraktion gibt dem Stadtrat mit diesem Antrag Gelegenheit zur Mutprobe!!!
Vielen Bürgern in dieser Stadt wäre es jedoch lieber, wenn sie die Pläne einmal selbst studieren, und Fragen stellen dürften.
Planung soll die Realität in Form von Plänen und Modellen vorwegnehmen um sie erörtern zu können, bevor das Ganze in Beton gegossen wird und dann nicht mehr wie ein Monopoly-Baustein verschoben werden kann.
Ist es deshalb so verwerflich, wenn die FWG Bedenkzeit für die Bürger fordert???
Wenn das Projekt aus Sicht der Verwaltung und der Befürworter so gut gelungen ist, warum fürchten Sie dann, das die öffentliche Diskussion ein anderes, als das von Ihnen gewünschte Ergebnis erzielt?? Auf welcher Seite will der Stadtrat denn stehen, wenn der Investor aus verständlichem Grund die Bedenkzeit möglichst verkürzen will??
„Trauen Sie unseren engagierten Mitbürgern, die, gerade in Ingelheim ein besonders hohes Bildungsniveau haben, so wenig zu?“
Die FWG fordert:
- eine detaillierte Offenlegung der finanziellen Verpflichtungen für die Stadt,
- ein Modell im Rathausfoyer zu den konkreten Plänen,
- die öffentliche Erörterung der kontroversen Einzelhandels-Gutachten ohne schnell herbeigezauberte „Ober-Gutachten zu den Gutachten“,
- eine konkrete Bürgerbeteiligung, die die Wertung von Anregungen und Bedenken ermöglicht,
- und nur deshalb die Aussetzung der †Entscheidung† bis nach den Kommunalwahlen im Juni 2009!
Die FWG bittet deshalb, der bürgerlichen Mitbestimmung ein Tor zu öffnen und unseren Anträgen zuzustimmen, damit unsere Mitbürger das Gefühl bekommen „ihr Urteil ist wichtig“
damit unsere Bürger erkennen, dass ihre Repräsentanten Meinungsvielfalt als Interesse an dieser Stadt deuten
und nicht als unangenehme Störung längst beschlossener Sachverhalte.
Karl-Georg Proksch, stv. Fraktionsvorsitzender der FWG-Fraktion