Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Beigeordnete und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
verehrte Ratskolleginnen und –kollegen !
2015 - was für ein Jahr!
- Das Jahr der Abrissbirne?
- Das Jahr der Spatenstiche und Neubeginne
- Das Jahr der Bürgerbeteiligung und des Bürgerentscheids
- Das Jahr der Herausforderungen
- Das Jahr der Weichenstellung für die Zukunft?
Mit dem Haushalt 2016 wird erstmalig die Idee der nachhaltigen haushalterischen Wirtschaft umgesetzt. Heute beschließen wir also nicht nur den Haushalt 2016 sondern auch die Nachhaltigkeitssatzung. Das Prinzip der nachhaltigen Wirtschaft wurde von meinem Vorgänger Klaus Hüttemann bereits an vielen Stellen angemahnt (wenn auch vielleicht nicht mit dem jetzt verwendeten Terminus: nachhaltiger Haushalt). Wir freuen uns daher besonders über die Verabschiedung der Satzung im Kontext des Haushalts für 2016. Zur Satzung haben sich meine Vorredner bereits geäußert. Ich möchte gerne ergänzen: Wir hätten es begrüßt, wenn im Text des wichtigen Paragraphen 9, in dem es um den Umgang mit extremer Haushaltslage geht, noch einmal schriftlich festgehalten worden wäre, dass der Rückgriff auf die Mindestliquiditätsreserve erst dann vorgenommen werden darf, wenn die freiwilligen Leistungen auf dem Prüfstand gestanden haben.
Wirtschaftsentwicklung
Zum Glück waren wir im Jahr 2015 wiederum in einer privilegierten finanziellen Situation. Die Gewerbesteuereinnahmen sind in der erwarteten Höhe eingetroffen. Die großen Projekte sind weiter fortgeschritten.
Die Realisierung dieser Großprojekte: Neuer Markt, Mediathek, Hotel ist nicht zu übersehen. Unsere Haltung zum Projekt Kulturhalle ist bekannt, wir werden die Nutzung der Halle nach wie vor kritisch betrachten und befürchten, dass sich weitere Mehrkosten nicht vermeiden lassen werden, ohne Qualitätseinbußen in Kauf zu nehmen.
Dass sich das Projekt Hotel nach Ansicht der FWG an anderer Stelle, nämlich in der südlichen Bahnhofstraße, besser hätte realisieren lassen, wollen wir hier nicht weiter vertiefen. Allerdings wäre die Verhandlungsposition bezüglich der Erweiterung der Kreisverwaltung eine deutlich günstigere gewesen und die Erweiterungsbauten in Anlehnung an das Rundgebäude Kreisverwaltung wären unter diesen Voraussetzungen nicht notwendig gewesen – aber: die Würfel sind gefallen.
Wir begrüßen die Planung zum Winzerkeller und zur Modernisierung des Alten Rathauses (hier insbesondere die Barrierefreiheit) – die Realisierung sollte nicht in die ferne Zukunft rücken. Nicht nur die Winzer haben Informationsbedarf, wie es und vor allem wann es mit der Umbau und der Neugestaltung des Nieder-Ingelheimer Winzerkeller losgehen wird.
Bei all diesen Innovationsvorhaben mahnt die FWG einen maßvollen Umgang mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen an.
Wir haben bewusst für den HH 2016 keine eigenen Anträge gestellt. Wir bescheiden uns, weil FWG- Anliegen, für die wir uns in der Vergangenheit eingesetzt haben, JETZT umgesetzt wurden: Klimafreundlicher ÖPNV in Form des Testbetriebs eines Elektrobusses, öffentliche Toilette (wenigstens jetzt am Sebastian-Münster-Platz ). Zudem soll die Sparvorgabe von 15% Einsparung realisiert werden, so dass sich in unseren Augen keine weiteren Spielräume für eigene Projekte ergeben.
Dass nun allerdings an den freiwilligen Leistungen in der Form gespart werden soll, dass unter Umständen überquellende Müllereimer das Stadtbild im Zentrum prägen und die öffentlichen Grünanlagen mit Unkraut besetzt und seltener gepflegt werden sollen, erscheint anbetracht eines Gesamthaushalts von mehr als 230 Millionen € als äußerst fragwürdig.
Bürgerbeteiligung Mit der Stadtteilkonferenz in Ingelheim-West ist der Beteiligungsprozess an der Stadtentwicklung bis zu einem bestimmten Punkt abgeschlossen; es fanden in allen Stadtteilen Konferenzen statt. Der gesamte Prozess ist sehr zu begrüßen, wenn auch eine sowohl
zahlenmäßig stärkere und wie auch wirkungsvollere Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern wünschenswert gewesen wäre. Auch in Ingelheim-West hat sich einmal mehr gezeigt, dass die Realisierung der Ideen, die in den Arbeitsgruppen entwickelt wurden, häufig an Zuständigkeiten, der Gesetzeslage oder finanziellem Aufwand scheitert.
Die FWG sieht den Beteiligungsprozess an sich als sehr positiv. Es zeigen sich allerdings auch Grenzen der Umsetzung von Bürgerideen und Wünschen. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Familien- und Freizeitwiese in Frei-Weinheim. Hier droht sich eine Idee, die von einer kleinen Gruppe entwickelt wurde, zu verselbständigen – hohe Kosten würden bei der Umsetzung erzeugt. Die grundsätzliche Entscheidung, ob hier Naturnähe den Vorrang haben sollte vor einer Familienwiese mit teuren Spielgeräten, ist noch nicht gefallen. Den Sperrvermerk im Haushalt 2016 begrüßen wir ausdrücklich.
Auch die Spielleitplanung wurde für Ober-Ingelheim und Groß-Winternheim fortgesetzt, und es blieben keine Wünsche offen. Auch hier mahnen wir mehr Bescheidenheit an. Auch für die beteiligten Kinder kann es neben dem Spaß an der Planung und dem Entwickeln von Ideen eine wichtige Erkenntnis geben: Man kann nicht alles haben, was man sich wünscht.
Jahr des Bürgerentscheids
Die Würfel zur Umsetzung der Kommunal- und Verwaltungsreform sind gefallen. Die Heidesheimer und Ingelheimer haben für die Eingemeindung gestimmt. Ein langer Verhandlungsprozess ist damit beendet. Die Herausforderung wird darin bestehen, die erarbeiteten Punkte umzusetzen. Warum haben die Bürgerinnen und Bürger für die Eingemeindung gestimmt? Weil sie hoffen, dass die Zukunftsaufgaben besser gemeistert werden können, dass es neue Entwicklungsmöglichkeiten geben wird, dass gemeinsame Aufgaben besser bewältigt werden können – auch in dem Bewusstsein, dass finanzielle Mittel geteilt werden müssen.
Was die Eingliederung der Gemeinde Wackernheim betrifft, richtet die FWG-Ingelheim den Blick nach vorne und setzt auf eine gemeinsame positive Entwicklung und Beseitigung der Streitpunkte.
Wir sind der Meinung, dass man ganz offen auf Wackernheim zugehen sollte; erste Erfolge in dieser Richtung zeichnen sich zum Glück ab!
Jahr der Herausforderungen
In der Flüchtlingsarbeit hat Ingelheim im Jahr 2015 Hervorragendes geleistet. Die Art und Weise, wie bei uns gehandelt wurde und Probleme angegangen wurden, hat in der Region und darüber hinaus Beachtung gefunden. Selbst wenn wir in Ingelheim günstige Ausgangsbedingungen hatten, sollte die Arbeit des MIB mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besonders erwähnt und wertgeschätzt werden.
Eines sollte den Bürgerinnen und Bürgern allerdings immer wieder bewusst gemacht werden: Die Flüchtlingsarbeit geht nicht zu Lasten der Schwachen in unserer Gesellschaft. Die Projekte und Hilfsangebote laufen nicht anstelle anderer sondern zusätzlich. Dazu werden finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung gestellt.
Es ist uns an dieser Stelle wichtig zu betonen, dass die Unterbringung der Flüchtlinge erst den ersten Schritt darstellt – Integration in unsere Gesellschaft erfordert viel mehr: unsere Wertmaßstäbe, unser Grundgesetz etc. müssen von den Menschen, die sich in unserem Land eine neue Existenz aufbauen wollen, akzeptiert und gelebt werden. In Ingelheim haben wir dazu günstige Voraussetzungen. Auch für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt gibt es in Ingelheim gute Ausgangsbedingungen; es gibt Betriebe, die bereit sind, sich auf die „Fremden“ als Arbeitskräfte einzulassen und die auf den Integrationswillen der Menschen setzen.
Jahr der Weichenstellung für die Zukunft
In 2016 wird es ähnlich wie 2015 nicht um besonders strittige Grundsatzentscheidungen gehen, sondern um die weitere Umsetzung der begonnenen Projekte. Es geht aber auch um die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Stadt wir uns für die Zukunft wünschen. Es geht um die weitere Ansiedlung mittelständischer Betriebe, Entwicklung von Arbeitsplätzen unter maßvollem Ausweiten der Gewerbeflächen. Es geht für die FWG um Grenzen des Wachstums, um Umgang mit unseren Ressourcen, weitere Senkung der CO2 Emissionen und Erhaltung der Biodiversität. Im weitesten Sinne geht es darum, wie wir leben wollen.
Dazu müssen wir uns die Frage stellen, welche Herausforderungen auf uns zu kommen: Ist es der Klimawandel mit extremen Wetterereignissen, sind es Flüchtlingsströme, Energieengpässe, neue Steuern, oder tatsächlich kultureller Verfall?
Oder drehen wir die Frage herum und tragen zusammen, was uns wichtig ist: Arbeitsplätze in einer bestimmten Branche, kurze Fahrten zum Arbeitsplatz, d.h. ein bezahlbares Wohnungsangebot auch für Familien mit Kindern, gute Schulen, KiTAs und Spielplätze, ein vielfältiges kulturelles Angebot, intakte Natur? Den Einklang zwischen diesen beiden Fragestellungen zu finden ist unser Anliegen. Dafür setzen wir uns ein, daran wollen wir konstruktiv mitwirken.
Wir wünschen uns, dass das Jahr 2016
- ein Jahr der guten politischen Zusammenarbeit wird
- ein Jahr der wirtschaftlichen Entwicklung mit Augenmaß
- ein Jahr der Toleranz und des engagierten Miteinanders und wiederum
- ein Jahr der Weichenstellung für die Zukunft
Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung und allen Gremien für die geleistete Arbeit und die Unterstützung.
Die FWG stimmt dem Haushalt 2016 zu.