Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Beigeordnete und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,
verehrte Ratskolleginnen und –kollegen !
Das gesprochene Wort gilt
Die Beschlussfassung über den Haushalt für das Jahr 2017 ist der Zeitpunkt nicht nur über die Finanzen unserer Stadt zu beschließen. Zugleich blicken wir nachdenklich auf das vergangene Jahr und in die Zukunft. Mir wurde - spaßeshalber - der Vorschlag gemacht, ob ich nicht die Rede für 2016 noch einmal halten könnte. Nein, das geht natürlich nicht. Denn wir haben uns weiterentwickelt. Wir haben in dem nun fast vergangenen Jahr das Prinzip der nachhaltigen haushalterischen Wirtschaft umgesetzt und dabei auch festgestellt – es fehlt uns an praktischer Erfahrung. Der OB drückt es so aus: Wir üben noch und müssen besser werden.
Zwar ist es uns gelungen, die Mindestliquiditätsreserve einzuhalten, aber einige Eckwerte mussten noch einmal überarbeitet, bzw. die Zahlen revidiert werden. Auch die Ausschüsse, deren Aufgabe durch die Nachhaltigkeitssatzung deutlich aufgewertet wurde, werden sich noch intensiver mit der Haushaltsaufstellung befassen müssen.
Wirtschaftsentwicklung
Wir haben uns für 2017 wiederum Großes vorgenommen: Bei der vorgesehenen Redezeit kann ich nur einiges davon ansprechen:
Die Projekte WBZ und Kultur- und Veranstaltungshalle gehen der Fertigstellung entgegen. Was die Nutzung des WBZ betrifft, hat die FWG kaum Zweifel oder Bedenken. Die Teilnehmerzahlen sprechen eine deutliche (und zwar deutlich positive) Sprache. Darüber hinaus gilt: bei der Musikschule stoßen wir an Grenzen des Wachstums und sollten nicht Quantität vor Qualität setzen. Die FWG hat sich für die Erhöhung der festangestellten Musiklehrer eingesetzt. Wir freuen uns darüber, dass im kommenden Jahr zwei ganze Planstellen geschaffen werden.
Die neue Kultur- und Veranstaltungshalle kING wird, wenn alles planmäßig läuft, im August eröffnet. Es wurde uns jüngst eine Liste mit bereits gebuchten Veranstaltungen vorgelegt. Allerdings wird die Kulturhalle ein Zuschussbetreib bleiben. Um uns herum gibt es viel Konkurrenz und einer der Hauptkonkurrenten – die Rhein-Main-Halle Wiesbaden - ist zurzeit durch Neubau lahmgelegt.
Es gab eine große Kulturveranstaltung an der Burgkirche, die – hochkarätig angesetzt – bei weitem nicht den Zuspruch fand, den man sich erhofft hatte und damit ein Defizit erwirtschaftete. Eine Großveranstaltung ähnlicher Art ist für 2017 geplant. Wir werden diese Aktivitäten auch in Zukunft kritisch begleiten und den Finger in die Wunde „öffentlicher Zuschuss“ legen. Gleichzeitig erwarten wir, dass die Ingelheimer Kulturszene – vertreten z.B. durch die Förderer der Kleinkunst und die Vereine - als „Kultur von unten“ weiterhin gefördert wird.
Auch die Mediathek wird im Frühjahr bezogen werden können. Die Kunst in der Eingangshalle hat einigen Staub aufgewirbelt. Mit dem weiteren Vorgehen werden wir uns im nächsten Tagesordnungspunkt befassen.
Ein Satz dazu: Für die Zukunft fordern wir eine andere Vorgehensweise - Auswahl mit der Hilfe einer unabhängigen Jury, nach vorheriger gemeinsamer Erarbeitung von genauen Kriterien im Ausschuss und im Rat.
Der Umbau des Ingelheimer Winzerkellers und die Schaffung einer Vinothek für die Ingelheimer Winzer ist ein Thema, das die FWG besonders bewegt. Der Winzerkeller ist ein Projekt für die Ingelheimer Bürgerinnen und Bürger und steht für den Stadtteil Nieder-Ingelheim. Daher haben wir auch für die Aufstockung der finanziellen Mittel um 2 Millionen € gestimmt. Auch sind wir der Meinung, dass bei diesem Projekt nicht plötzlich „klein klein“ gedacht werden darf und an der Qualität so gespart wird, dass zum Schluss schlechtes Mittelmaß herauskommt. Das Jahr 2017 muss in Sachen Winzerkeller den „großen Sprung nach vorne“ bringen. Zur Lösung des Parkproblems brauchen wir Planungssicherheit - das ist eine Gelingensbedingung für das Gesamtprojekt!
Die CDU hat den Ausdruck „Mentalitätswandel“ in die Diskussion geworfen. Bei der Recherche zu dieser Rede stellte ich fest, dass wir die dahinter stehende Idee: nicht zu viel auf einmal, nicht immer größer, nicht alles vom Feinsten schon seit langem umgesetzt sehen wollen. Wir meinen, dass man sich an manchen Stellen durchaus etwas bescheiden könnte. Als ein Beispiel wäre hier die Umgestaltung der Außenanlagen der KiTas zu nennen: Nicht eine Vielzahl an teuren Spielgeräte, sondern die Kreativität der Kinder zu fördern macht die eigentliche Qualität aus. Diese kann sich nur entfalten, wenn es den dafür notwendigen Frei-Raum gibt.
Auf Bundesebene wurde vor wenigen Tagen eine Änderung des Baugesetzes verabschiedet, das es den Kommunen erlauben soll, die Innenstädte weiter zu verdichten und enger und höher zu bauen. Auch unsere Ortsmitte soll urbaner werden, städtischer eben. Wir sehen hier allerdings Grenzen und bedauern die Entscheidung, die öffentliche Grünfläche am Lavendelkreisel zu verkleinern, selbst wenn an anderer Stelle des Filetstücks Gartenfeldstraße/ Bahnhofstraße für „Grün“ gesorgt werden soll.
Wir haben uns dazu entschieden, die im Haushalt vorgesehenen Mittel für die Familienwiese und den Steg in Frei-Weinheim mit einem Sperrvermerk zu versehen. Wir sehen die Umsetzung dieses teuren Projektes mit großer Skepsis und plädieren dafür, den Beteiligungsprozess weiterzuverfolgen und die vorgesehene Ertüchtigung des Deiches abzuwarten.
Wir begrüßen die Weiterentwicklung des ÖPNV und den Aufbau der Moblitätsstation am Ingelheimer Bahnhof. Das sind zukunftsweisende Projekte, die uns unserem Ziel, Co2-neutrale Stadt zu werden, näher bringen werden und die dem demografischen Wandel Rechnung tragen.
Das Jahr 2017 wird auch ein Jahr der Herausforderungen sein:
Herausforderung: Eingemeindung von Heidesheim und Wackernheim
Im Jahr 2017 wird die Umsetzung der Eingemeindung von Heidesheim/Wackernheim weiter vorangetrieben. Die Mitarbeiter des Bauhofes sind die ersten, die diesen Prozess miterleben. Der personelle Übergang hört sich vielleicht ganz harmlos an, dennoch ist es für die beteiligten Personen eine Veränderung und auch Herausforderung, sind doch die Aufgabenfelder in den beiden Gemeinden anders strukturiert und lassen sich nicht eins zu eins übertragen. Das erfordert sensiblen Umgang mit den Menschen und ein Aufeinander zugehen. Unsere beiden Gemeinden weiter zusammenzuführen sehen wir als Herausforderung für 2017, sind uns aber sicher, dass wir hier auf einem guten Weg sind.
Herausforderung: Demografischer Wandel
Dieser wird, das wissen wir alle, auch vor Ingelheim nicht Halt machen. Unsere Aufgabe ist es, hier die Weichen zu stellen. Wir müssen Ingelheim für junge Familien attraktiv machen. Was heißt das genau: Wir müssen für bezahlbaren Wohnraum sorgen und Projekte fördern, die Generationen übergreifendes Wohnen umsetzen wollen, da es das Leben in Großfamilien kaum noch gibt.
Ingelheim braucht ein erweitertes Angebot für palliative Versorgung, die Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet. Ingelheim mit seiner vergleichsweise überragenden Wirtschaftslage sollte sich Gesundheitsfürsorge groß auf die Fahne schreiben. Daher tragen wir die Entscheidung mit, für die Sanierung des Krankenhauses 3,5 Millionen € bereitzustellen.
Herausforderung:
Die Integration der Flüchtlinge wird auch im Jahr 2017 eine Herausforderung bleiben. Auch im Jahr 2016 wurde in Ingelheim Hervorragendes bei der Integration der Flüchtlinge geleistet. Die Charta des Zusammenlebens und das Projekt „Wir sind Ingelheim“ möchte ich als besonders gelungene Beispiele anführen, wie sich Menschen in unserer Stadt integrieren, was früher oder später zum einem Mit-Ingelheim-identifizieren wird.
Dem Büro für Migration und Integration mit seinen Mitarbeiter/innen und den vielen Ehrenamtlichen gilt unser Dank, sowie dem Beirat für Migration und Integration.
Herausforderung: Demokratie und Partizipation
Dies führt mich zum letzten Punkt meiner Rede: Wir wissen, dass in Ingelheim nicht alle Bürgerinnen und Bürger über die Anwesenheit der „Fremden“ begeistert sind. Die Einträge bei Facebook und Co. und die manchmal brodelnde Gerüchteküche sprechen für sich. Dem muss entgegengewirkt werden; nicht durch Belehrung, sondern durch Aufklärung und Vermittlung. Es steht viel auf dem Spiel: letztendlich unsere Demokratie und Leben in Freiheit und Sicherheit.
Daher plädieren wir dafür, alles zu tun, um besonders die junge Generation für die Kommune zu interessieren und für die Demokratie zu begeistern. Wir hoffen zuversichtlich, dass das WBZ sich weiterhin für diese Arbeit einsetzt und die entsprechende Unterstützung bekommt.
Was wir bisweilen etwas vermissen: Es braucht den kritischen Diskurs im Rat und in den Ausschüssen - und vielleicht auch in den Fraktionen. Als FWG stehen wir jedenfalls weiterhin für eine mahnende, jedoch stets konstruktiv(e) (gemeinte) Stimme im Rat und in der Stadt ein.
Wir danken den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verwaltung für die geleistete Arbeit und die Unterstützung.
Am Ende kann ich doch noch einmal auf die HH-Rede von 2016 zurückgreifen:
Wir wünschen uns, dass auch das Jahr 2017
ein Jahr der guten politischen Zusammenarbeit wird
ein Jahr der wirtschaftlichen Entwicklung mit Augenmaß
ein Jahr der Toleranz und des engagierten Miteinanders und wiederum
ein Jahr der Weichenstellung für die Zukunft.
Die FWG stimmt dem Haushalt 2017 zu.