Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Passagiere,
wir verlassen nun unsere Reise-Flughöhe von 12.000 Fuß und setzen den Haushaltsplan 2022 zur Landung an.
Nachdem die Reise-Ziele der Fraktionen bereits im März 2021 dem Kapitän eingereicht wurden, gab es aufgrund der Vielzahl der Wünsche Irritationen über die Eckpunkte. Zwar wurden die Handlungsschwerpunkte seitens der Verwaltungs-Crew bewertet, eine Abstimmung seitens der Passagiere über die endgültige Flugroute gab es nicht.
So wurde der Auto-Pilot eingeschaltet – grobe Richtung Horizont. Vor wenigen Wochen wurde Stück für Stück ein Flugplan vorgelegt, intensive Auseinandersetzung und Fragenstellung seitens der Passagiere ausdrücklich erbeten. Der Flugplan wies Lücken und Fehler auf.
Daraufhin folgten Turbulenzen aufgrund von Luftlöchern, die Flughöhe wurde abgesenkt. Eine Ursache war die schlechte Prognose mit negativem Ergebnis von fast 10 Millionen Euro. Dank umsichtiger Mitreisender, Bajorat und Fürst, konnte der Schaden behoben werden. Sie fanden 20 Millionen Euro im Notfallkoffer.
Die zweite Panne entstand, weil Passagiere, die aus Randgebieten kamen, beim Zwischenstopp vergessen wurden. Sie konnten auf den Notsitzen noch mit an Bord genommen werden.
Nun hoffen Kapitän und die beiden Co-Pilotinnen, zusammen mit der Crew, dass das Zahlenwerk endlich stimmt und eine Bruchlandung ausbleibt.
Sehr geehrter Stadtvorstand, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Bürgerinnen und Bürger,
Es scheint im städtischen Haushaltsplan gewohnte Praxis zu sein, dass den Haushaltsplänen vergangener Jahre hinterhergehinkt wird. Projekte werden verschoben, Haushaltsansätze mangels Umsetzung nicht ausgeschöpft. Die Personalkapazität ist am Limit und die Fusion hat dieses Dilemma offensichtlich noch verstärkt. Viele parallel laufende Baustellen, Erwartungshaltung der neuen Stadtteile – Enttäuschung, weil es nicht voran geht.
Die Stadt wächst und damit ihre Aufgaben, doch Personalstand und Struktur wachsen nicht mit.
Aber wie lange soll das noch so gehen? Wann dürfen wir mit einer Lösung dieses Dilemmas rechnen, Herr Oberbürgermeister? Als Bau- Personal- und Finanz-Dezernent sind Sie gefragt: Wann werden wir nicht mehr auf später vertröstet, wie werden kurzfristig Rückstände im Finanzwesen aufgearbeitet? Eine neue Stelle kann das alleine nicht schaffen.
Oder brauchen wir einen Blick von außen?
So jedenfalls kann es nicht weitergehen und diese Situation ist sicher auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbefriedigend.
Die Aufstellung dieses Haushaltsplanes 2022 sollte uns eine Lehre sein. Wir brauchen ein strukturiertes Verfahren und die Ortsbeiräte müssen frühzeitig eingebunden sein. Das ist Bürgerbeteiligung.
Das umfangreiche Zahlenwerks ist selbst für zahlenaffine Stadträte im Selbststudium sehr aufwändig. Die Verwaltung muss eine übersichtliche und knappe Präsentation über den Haushalt erstellen. Die Kreisverwaltung macht es vor und deren Haushalt ist nicht weniger umfangreich.
Die Prioritätenlisten aller Ämter müssen vereinheitlicht und im Laufe des Jahres regelmäßig überprüft werden. Damit die Ausschussmitglieder wissen, wie der aktuelle Sachstand ist, warum es zu Verzögerungen kommt. Wir fordern transparente Prozesse.
Stadtentwicklungskonzept, Leitbild und Flächennutzungsplan sind in Bearbeitung. Aber die kleinteiligeren Bebauungspläne bleiben auf der Strecke, über 40 offene Verfahren wurden gelistet. Auch die Aufstellung von Bebauungsplänen in Wohngebieten, die wegen der Altersstruktur einem Wandel unterliegen und in absehbarer Zeit nachverdichtet werden, ist für die Stadtentwicklung nötig. Sollte es hier an personellen Kapazitäten in der Verwaltung mangeln, muss die Erarbeitung fremdvergeben werden.
Wir planen mehr Wohnungsbau, was FWG und BLH unterstützen. Aber unsere Infrastruktur muss mit steigenden Bevölkerungszahlen Schritt halten. Mehr Menschen wollen mobil sein, brauchen Bildungs- und Betreuungsplätze für Kinder. Fordern Freizeitangebote und Naherholung, Spielplätze und innerstädtisches Grün. Wo haben wir die Grenzen unseres Wachstums definiert?
Um unsere Innenstadt attraktiver zu gestalten kommt nun ein erster Teil der Fußgängerzone. Zum Flanieren braucht es Handel und Gastronomie, die durch die Pandemie und für die Zeit danach mehr unterstützt werden müssen. Mehr Kommunikation muss insgesamt mit den Gewerbetreibenden seitens der Stadt geleistet werden. Wir plädieren für einen Wirtschaftsförderungsausschuss statt eines Beirates, der sich intensiv mit dem Wirtschaftsstandort auseinandersetzt.
Es ist uns ein besonderes Anliegen demokratiepädagogische Projekte zu fördern, damit Demokratieverständnis von klein auf in den Menschen wächst und sie stärkt. Daher sind wir froh, dass ein neuer Junger Rat in Wackernheim im Amt ist. Die Einrichtung eines Jugendparlaments für die gesamte Stadt ist auf gutem Weg.
Hinter uns liegt wieder ein bewegtes Jahr. Unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen haben uns gefordert.
Ob in der großen Politik oder im Stadtrat, es zeigt sich immer wieder, wie wichtig klare Kommunikation, vorausschauendes Handeln und Strukturen wären.
Finanziell gesehen ist Ingelheim die Insel der Glückseligen.
Grundsätzlich kann der Blick über die Stadtgrenze in Themen wie ÖPNV, guter fachärztlicher Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger, der Suche nach neuen Wohnbauflächen und beim Klimaschutz, weiterhelfen.
Bei allen Aufgaben, die sich auch in Nachbargemeinden stellen, sind Kooperationen von Vorteil. Auch das kann Personalressourcen schonen und Kräfte bündeln.
Gerade in Zeiten von Krisen und deren langfristiger Bewältigung ist Kirchturmdenken nicht mehr zeitgemäß.
Die Fraktionsgemeinschaft FWG/BLH stimmt dem vorliegenden Haushaltsplan zu.
Meine Damen und Herren, wir haben nun unser Gate erreicht, bitte nehmen Sie beim Ausstieg Rücksicht aufeinander.
FWG und BLH danken der Verwaltungs-Crew für ihr Engagement und wünschen allen eine besinnliche Weihnachtszeit und einen guten Start ins nächste Jahr.
Sybille Vogt