Um es gleich vorneweg noch einmal zu unterstreichen: Auch die FWG will eine Kulturhalle mit anspruchsvoller Akustik und Ausstattung, für ca. 500 bis 600 Plätze. Auch uns liegt an der Bereicherung durch weitere qualitätsvolle Veranstaltungen, die ein solcher Saal ermöglichen würde. Ich darf daran erinnern: Mit dieser gemeinsamen Zielsetzung begannen vor 2 ½ Jahren auch die Parteienvertreter, das Thema Halle/Neuer Markt in einem speziellen Workshop zu diskutieren.
Eine Halle, das WBZ und die Musikschule sollten auf das Rathausgelände, bei gewährleisteter Nachnutzung und Realisierung der Synergien. Dabei sollte das WBZ “runter” zur Halle, weil der WBZ-Bedarf für größere und große Saalveranstaltungen in der Halle gedeckt werden sollte. Zusätzlicher Raumbedarf, besonders für die Musikschule, Synergien und Verbesserungen waren die Begründung für die Aufgabe des bisherigen Standortes in der Leuschnerstrasse. Es ging auch um eine qualitätsvolle Ergänzung der sonstigen Ingelheimer Veranstaltungsmöglichkeiten. Für den Bedarf in Ingelheim und Umland erschien ein Zuschussbedarf von 250 bis 300 Tausend Euro akzeptabel.Heute wird an der Realisierung einer Halle mit ca. 900 Plätzen gearbeitet, die an mind. 150 Tagen belegt sein muss, damit der Zuschussbedarf bei etwa einer halben Million bleibt. Heute stehen nun hinter der Halle ein bundesweiter Anspruch und damit der permanente Druck, es besser als alle Städte um uns herum zu machen. Aber die schlafen bekanntlich nicht und bauen gerade auch neu (Rhein-Main-Hallen Wiesbaden, neue Veranstaltungshalle Mainz).
Da muss es erlaubt sein, große Zweifel an der Überzeugung zu äußern, dass eine dauerhafte Belegung an mehr als 150 Tagen gelingt, auf immer, denn die Halle steht da und kostet. Von Comedy, Autoausstellung, über Kongresse, Philharmonie- Veranstaltungen bis zu Hansi Hinterseer.
Wer oder was zwingt uns, ein solch großes Rad zu drehen? Ginge es nicht eine Nummer kleiner? Die jetzt ermittelten Kosten für das Projekt, seit einer Woche bekannt, betragen einschließlich Ausstattung gerechnete 61,4 Millionen Euro, bei nur 5 Prozent für Unvorhergesehenes und Teuerung. Ursprünglich war der Ansatz 35 bis maximal 40 Millionen Euro. Das galt auch den heutigen Großprojektbefürwortern für eine Stadt wie Ingelheim als gerade noch verträglich.
Wir reden also sehr wahrscheinlich über mehr als 61,4 Millionen Euro und damit von einer nahezu doppelt so hohen Investitionssumme. Gleich, ob gedeckelt oder nicht.
Wo ist die Hotelinfrastruktur, wo ist die Restaurantszene, die Besucher fußläufig anziehen würden? Wie soll der erwartete Strom der Besucher, einschl. großer Reisebusse, verkehrsmäßig abgewickelt werden?
Wie soll das klappen mit der An- und Abfahrt der Kongressbesucher, der Reisebusse und der Autos, die die Musikschüler holen und bringen? Zu den kritischen Situationen, die vorhandene Verkehrsströme und zusätzliche Verkehrsbewegungen hervorbringen werden, äußern sich die vorgelegten Gutachten nicht qualifizierend, sondern nur weiter mit Zahlen.
Wegen des Platzbedarfes der Gebäude muss die Bingerstrasse auf 2 Spuren verengt werden. Auch die Gartenfeldstraße muss zugunsten von Reisebushalteplätzen bis auf einige Meter vor der Ampel auf zwei Spuren verengt werden.
Was das bedeutet, kann man sich heute schon mit nur wenig Phantasie vorstellen. (Von den Auswirkungen auf die Qualität des Binnenklimas der Stadt, Abgase etc. ganz zu schweigen)
Warum sollen die Ingelheimer im zu erwartenden Stau stehen? Ist das nachhaltig?
WBZ und Halle, jedes Gebäude für sich, stellt derzeit autonome Maximallösungen dar. Die Gebäudekubaturen fallen entsprechend groß aus. Das Rathausgelände wird überfrachtet. Es entstehen Monolithe, die auf ihre gewachsene Umgebung wenig Rücksicht nehmen. Da können Lieb & Lieb noch so sehr von gewollten Spannungen in in der Innenstadtarchitektur sprechen.
Die Zuhörer heute hier im Ratssaal und die breite Öffentlichkeit mögen vieles über die Hintergründe und vielfältigen Konsequenzen einer Realisierung des Projektes nicht wissen. Aber sie sollten sehen, dass die großen rosigen Perspektiven der Projekt-befürworter Kehrseiten haben.
Bei solch großen und problematischen Veränderungen mitten in der Stadt sollten nach Meinung der FWG die Bürger repräsentativ befragt werden. OB Claus und die SPD wollen die Bürger aber nur „mitgenommen“ wissen. Wir sind gespannt, ob die dazu gestartete Agentur-Kampagne in den Sommerferien wenigstens so ehrlich sein wird, Risiken und Nebenwirkungen wirklich auf den Tisch zu legen.
Die FWG meint, dass das ursprüngliche Konzept, eine kleine aber feine Lösung, für Ingelheim angemessen wäre kostenmäßig und städtebaulich, hinsichtlich Verkehr, verbundener Risiken und Folgekosten, bei qualitätsvollem Nutzen für die Ingelheimer. Für bedeutend weniger Geld, Nebenwirkungen und Risiko könnten wir dauerhaft unseren Ingelheimer und Umland-Bedarf an Veranstaltungen mit erstklassiger Akustik und Ausstattung decken.
Wir sehen Ingelheim als kulturell rege, moderne Kreisstadt, als eine rheinhessische, von Rebhügeln, Rhein und Boehringer geprägte weltoffene Stadt in unmittelbarer Nachbarschaft zu Mainz und Wiesbaden, dem Ballungsraum Rhein-Main. Für ein neues kulturelles Zentrum mit bundesweitem Anspruch sollten die Ingelheimer die oben beschriebenen Risiken und Nebenwirkungen nicht in Kauf nehmen.
Die FWG tritt für die anfangs erarbeitete Alternative einer qualitätsvollen Ergänzung der bestehenden Ingelheimer Hallen ein und plädiert für eine maßvolle Vergrößerung von WBZ und Musikschule in Verbindung mit einer wertigen Kulturhalle regionalen Anspruchs.
Wir lehnen daher die vorliegende Beschlussvorlage über die Freigabe des 61,4 Mio Budgets und die Fortsetzung der Planung ab – als überzogen, zu risikoreich und mit zu vielen für die Ingelheimer Bürger nicht erwünschten Nebenwirkungen verbunden.