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Verabschiedung des Haushalts 2013

12. Dezember 2012
Rede des Fraktionsvorsitzenden

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Frau Bürgermeister,
verehrte Ratskollegen und -Kolleginnen,
sehr geehrte Mitarbeiter/Innen der Verwaltung,
sehr geehrte Mitbürger/Innen,

in der letzten Zeit war Nachhaltigkeit, insbesondere auch finanzielle Nachhaltigkeit ein aktuelles Thema. Der OB machte sogar Schlagzeilen mit dem Sparen beim farblichen Gestalten des Hafens. Es sieht fast so aus, als habe ein Wettlaufen um den 1. Rang beim Sparen eingesetzt.

In den Haushaltsberatungen brüstet sich die SPD sogar damit, in diesem Jahr keine ausgabenwirksamen Anträge gestellt zu haben. Aber das braucht sie ja auch nicht mehr. Mit Ralf Claus als OB ist ja nun sichergestellt, dass die SPD-Wünsche schon im HH-Entwurf der Verwaltung enthalten sind.

Und insbesondere bei den Investitionen wird es spannend:
54 Mio sind direkt als Investitionen enthalten und indirekt über Kapitalerhöhung und Darlehnsgewährung bei WBI und Abwasserverband noch einmal 20 Mio. Aus den Rücklagen müssen ca. 19 Mio genommen werden.

Man könnte nach dem Motto formulieren: nicht Kleckern, sondern Klotzen.
Dabei geht für die Maßstäbe der FWG das Augenmaß verloren:
Es werden Maximallösung für das WBZ und für die Halle eingeplant.

Aus dem zugrunde liegenden Hallenkonzept sei zitiert:

Vielseitig, hochwertig, gewagt, hohe und höchste Standards, 8-900 Personen, von Klassik bis Tagungen, von Comedy bis Messen, flexibel, Spitzenakustik, professionell, breite Angebotspalette, einzigartig, immer geöffnet und belebt...

Superlativ nach Superlativ. Für die FWG ist das Ausdruck von verloren gegangenem Gefühl, was eine Stadt wie Ingelheim erreichen kann und was ihr gut tut, nicht nur dem Kommerz der Neuen Mitte.

Falls die Öffentlichkeit die Zielsetzungen bei der Hallenplanung kennen sollte: Liegt dem ein Ratsbeschluss zugrunde? Nein, es gibt keine Ratsbeschlüsse zum konkreten Konzept, von dem doch maßgeblich Kosten und Defizit bestimmen werden.
Entsprechende Anmahnungen der FWG wurden zwar brav protokolliert, aber eine Diskussion und Abstimmung im Rat gab es bisher nicht. Doch das Geld soll schon mal locker gemacht werden.
Wofür das Geld ausgegeben wird, wird sich schon irgendwie ergeben? Nein, die FWG mahnt, den notwendigen Ratsbeschluss hierzu endlich herbeizuführen. So würde auch eine öffentliche Debatte möglich!

Aber wundern muss man sich eigentlich nicht mehr: Nach der öffentlichen Eigen-Präsentation des sogenannten „Forums Ingelheim“ von Herrn Thomas Stritter gibt der OB die aufgeworfenen Fragen unmittelbar an die Verwaltung weiter.
Funktioniert das jetzt so, dass wer etwas will oder meint (Zitat) „ohne nervendes parteipolitisches Klein-Klein“ mit Herrn Stritter klären kann, was der OB dann angehen wird? Ist das jetzt der Ort, wo politisch sortiert wird? Wird jetzt im Forum gekungelt? Kann in den Ausschüssen noch beraten werden oder kann nur noch abgenickt werden?
Die Entwertung der Ausschüsse – 2 mal in letzter Zeit erlebt als Ort, unliebige politische Anträge madig zu machen - muss aufhören!

Die FWG mahnt an, die notwendige politische Auseinandersetzung wieder in die Gremien zu bringen.

Nun wieder zum Haushalt:
Der OB teilt in der Presse mit, dass eigentlich nicht Rücklagen von fast 19 Mio aufgelöst werden, sondern sogar noch 2 Mio zusätzlich gebildet würden. Dabei wird so getan, als ob Investitionen der WBI für das Stadtzentrum am Rathaus und den Abwasserverband – finanziert durch im Haushalt enthaltene Millionen – kein Griff in die Rücklagen wäre.

Feststeht: Dieses Zusammensetzen der finanziellen Wirklichkeit zu einer eigenen, nicht mehr störenden Logik soll offensichtlich verharmlosen*. Ist das schon Ausdruck erster finanzieller Panik oder schlimmer: ein diffuses Bild der finanziellen Wirklichkeit?

Feststeht: Die beiden großen Parteien stehen gleichermaßen für die extremen Ausmaße und den überzogenen Anspruch der Vorhaben WBZ und Halle. Der SPD fehlt jede Glaubwürdigkeit für ihren neuen Versuch, sich das Etikett einer Partei der großen finanziellen Nachhaltigkeit aufzukleben.

Auch die CDU ist nicht besser legitimiert hierfür. Sie kann solange sie will behaupten, sie habe schon seit Jahren gefordert  sparsam zu sein, Investitionen und Personalausgaben niedrig zu halten. Und doch ging es munter weiter.

Feststeht: Die CDU seit einigen Jahren, die SPD seit kurzem, sie Beide üben sich nur in dialektischen Ablenkungsmanövern von ihren Maximialversionen für die bauliche Entwicklung der Stadtmitte,  jetzt konkret: des Rathausgeländes. Die öffentlichen Toiletten fehlen immer noch.

Dennoch ist es natürlich nicht falsch, die Stadtkasse fithalten zu wollen.
Ein wichtiger Schritt hierzu besteht darin, die Dauer der Abschreibung als Maßstab der jährlichen Abnutzung der Wirklichkeit anzupassen. Die Verwaltung hat damit endlich begonnen – eine wieder und wieder von der FWG geforderte Maßnahme, um wenigsten ungefähr die Millionen zu kennen, die man für die in 15 – 20 Jahren anstehenden Umbauten und Sanierungen benötigen wird. Wissen wir, wie das zukünftige Steueraufkommen sein wird, wie die Umlagen an Kreis und Land sich verändern werden?

Es wird nun darauf ankommen, sich auf ein Verfahren zu einigen, um die „richtigen“ Beträge zu ermitteln. Und zwar nicht nur, für die ab diesem Jahr anstehenden Investitionen, sondern auch für den gesamten Bestand: von Schulen über Sporthallen bis zum Rathaus.
Und wir müssen uns einigen auf ein freiwilliges Rücklagen-Management, eine jährlich zu erneuernde Selbstverpflichtung des Rates, Rücklagen zu halten und auszubauen.
Die FWG reicht hierzu die Hand.

In den Haushaltsberatungen hat die FWG beantragt, zunächst pauschal 70.000 € für Maßnahmen im öffentlichen Nahverkehr einzuplanen. Nicht nur bei der Zahl der Haltestellen, Größe und Antriebsart der eingesetzten Busse muss sich etwas ändern. Dem höheren Anteil älterer Mitbürger in der Stadt und ihren veränderten Mobilitäts-bedürfnissen muss Rechnung getragen werden.
Der fast schon stereotype Hinweis auf den Ausgang des Leitbildprozesses ist nicht ausreichend. Dort steht auch nur, dass „Qualitätsstandards weiterentwickelt“ werden und „ein Verkehrsentwicklungsplan ...für Erschließungsqualität sorgen“ soll.

Es muss hier etwas getan werden. Die FWG beharrt darauf, bereits heute hierfür Mittel in den HH einzustellen. Und schlägt vor, das Thema in einer Bürgerversammlung zu behandeln. Es geht ums Verstehen: die Bürger gewisse Sachzwänge, die Verwaltung und Politik die konkreten Nöte, für die es Lösungen zu finden gilt.
Der Gesamt - Haushalt 2013 beinhaltet umfangreiche Maßnahmen, Personalzuwachs und wirkliche große Investitionssummen. Unser besonderer Dank gilt insbesondere den Mitarbeitern der Verwaltung, die dieses Jahr unter den erschwerten Bedingungen kurzer Fristen und Personalengpässen das Werk vollendet haben, aber auch dem OB, der den Prozess zügig organisiert hat.

Es sind notwendige Mehrkosten enthalten, wie z.B. für Schulen, Kindertagesstätten, Personal und Beträge für notwendige Investitionen. Aber mit diesem Haushalt werden auch nach unserer Ansicht überzogene Investitionen losgetreten. Sie wissen, verehrte Befürworter der Vision von Ingelheim als ebenbürtig mit den Nachbar-Großstädten Mainz und Wiesbaden, dass wir ihre Vorstellungen als für Ingelheim und die Ingelheimer nicht passend ablehnen. Und damit kein Irrtum aufkommt: auch wir wollen die Stadtmitte entwickeln, aber eben anders.

Dass die FWG deswegen den ganzen Haushalt ablehnte, ginge zu weit.
Dass die FWG mit dem berühmten Bauchgrimmen dem Gesamt-Haushalt zustimmte, geht auch nicht. Dafür geht es um zu viel.

Wir werden daher erstmals in der Stadtrat-Geschichte der Ingelheimer FWG uns der Stimme enthalten.
Ein Zeichen muss gesetzt werden.

 

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Rabulistik betreibt jeder, der beispielsweise Fußnoten zu Geboten aufbläst, Tatsachen im wahrsten Sinne des Wortes vergewaltigt und sich die vorhandenen Fakten ohne Rücksicht auf Physik oder Logik passend zusammen setzt.