Zum Verfahren: Bei dem Thema dieser Straßenumbenennung handelt es sich um eine Frage, die man mit guten Argumenten befürworten oder ablehnen kann. Sie entzieht sich einer parteigebundenen Sicht. In der Vergangenheit war es daher gute Übung, die Beantwortung solcher Fragen im Rat nicht durch einen Antrag einer oder mehrerer Parteien auszulösen. Wenn einzelne Räte einen Antrag stellen, kann ohne Anflug parteilicher Gesinnung diskutiert und abgestimmt werden, wird parteipolitisch geprägte Blockbildung in diesen eher ethischen Fragen vermieden. Wir bedauern auch den im Vorfeld der Debatte aufgebauten Zeitdruck. Die SPD hatte zwar den Wunsch geäußert, womöglich einen gemeinsamen Antrag des Stadtrates einzubringen. Für die dazu notwendigen Diskussionen untereinander blieb aber zu wenig Zeit. Die Koinzidenz, am letzten Donnerstag, der Veranstaltung des Deutsch-Israelischen-Freundeskreises im WBZ und der Fraktionssitzungen tat noch ein übriges.
Zur Fragestellung selber: Es besteht wohl allgemein Einigkeit in der Sicht der braunen Vergangenheit von Hermann Berndes: Belastet nicht nur als Mitläufer, sondern als Mitbeteiligter, verstrickt und schuldig geworden. Es bestehen auch keine wesentlichen Unterschiede in der historischen Beurteilung der Vorgänge im März 1945, die dazu führten, dass die Straße im Mai 1945 nach Herrmann Berndes benannt wurde. Wollte man ihn für eine gesamte Lebensleistung ehren, dürfte man keine Straße nach ihm benennen. Nun ringen wir hier aber nicht um die erstmalige Benennung einer Straße nach ihm. Es ist zu klären, ob wir seinen Namen in dieser Straße tilgen. Ob wir – nach 67 Jahre – eine Entscheidung des späteren Wormser SPD-Landrates Schick aus dem April 1945 kippen, die knapp zwei Jahre später unter dem SPD-Bürgermeister Rückert im gewählten Rat einstimmig bestätigt worden war. Die Zeitgenossen waren offenbar von dem Gedanken geleitet, seine letzte und in voller Inkaufnahme des Risikos unternommene Tat anzuerkennen. Es war ja wirklich nicht unbekannt, dass Hermann Berndes ein aktiver Nazi war. Trotzdem taten sie es.
Von welchem Bild eines Menschen, den man ehren kann, waren sie geleitet? Offenbar von einem Menschenbild, das anerkennt, wenn man zur Einsicht kommt. Zweifellos war sein Handeln in der letzten Phase seines Lebens darauf gerichtet, für seine Heimat und Mitbürger das Richtige zu tun. Für mich gilt heute unverändert Respekt vor den Entscheidungen aus 1945 und 1947. Ich respektiere das christliche Prinzip von Umkehr und Einsicht, am besten gefolgt und unterstrichen durch Taten. Um ein gesamtes Leben zu ehren, wozu man ja heute neigt, müsste man ein Heiliger sein. Aber selbst da wartet die katholische Kirche 100 Jahre. Geehrt werden kann nur Hermann Berndes’ letzte Tat, die vorbildlich war.
In der heutigen Welt kennen wir auch Ehrungen, z.B. beim Nobelpreis, von Menschen mit umstrittener, wenn nicht gar terroristischer Vergangenheit. Schlechtes und Gutes haben sich auch da angesammelt. Und trotzdem wurden sie für Ihre beste Tat geehrt. Da geht es offensichtlich nicht um Aufrechnen von Gutem und Bösem. Beides macht Leben aus. Daher sollte im Namensschild der Straße die Erläuterung ergänzt werden. Es soll nicht der Eindruck von Einäugigkeit entstehen. Dann können auch heute Geborene aus der Auseinandersetzung mit seinem Leben und Handeln lernen, dass es nie zu spät ist.
Ich werde der Umbenennung nicht zustimmen und rege die Erweiterung des Untertextes an.
Klaus Hüttemann