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Verabschiedung des Haushalts 2012

14. Dezember 2011
Rede des stellvertr. Fraktionssprechers

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren Anwesende,

um Sie nicht mit einer Wiederholung von Einzelheiten, des weitgehend einvernehmlichen Ergebnisses der Haushaltsplan-Beratungen zu langweilen und anstelle einzelne Anträge zum Haushalt 2012 zu kommentieren, befasse ich mich in meiner Darstellung mit der langfristig symbolhaften Wirkung des Haushaltes an Hand von Beispielen.

Im Gegensatz zu anderen Städten und Gemeinden verfügen wir ja über so etwas wie einen Haushalt, denn andere sind gezwungen, ihren Mangel zu verwalten ohne noch agieren zu können! Die Grundlage, auf der unsere Finanzen aufbauen ist gut, denn wir haben bekanntermaßen – ohne dass es etwa unser Verdienst wäre – Steuerquellen, die uns reichlich sprudeln. Wir leben in einer gesegneten Region, in der neben den erwähnten Steuerquellen, natürliche Ressourcen wie fruchtbare Böden, sauberes Wasser, mildes Klima, der Rhein und viele Handelswege auch schon in historischer Zeit zu einem außergewöhnlichen Wohlstand der Bevölkerung geführt haben.

Es geht hier aber nicht darum, ein Land in dem "Milch und Honig fließen" mit stolz geschwellter Brust zu präsentieren, nach dem Motto "Mer strunze net, mer hun", sondern es geht darum, dass uns Glück durch verantwortungsvolles Handeln allen Bürgern unserer Stadt und der Region chancengleich und gerecht zugänglich zu machen. In diesem Zusammenhang fällt oft die Äußerung: "man solle die Bürger mitnehmen". Mitnehmen wohin ?

Bei einer Exkursion durch unsere Stadt trifft man auf zahlreiche Denkmäler und so erschließt sich mir das 2-teilige Wort "Denkmal" in einem ganz wörtlichen
Sinne: nämlich als die Aufforderung Nachzudenken zum einen – und den Begriff in der 2.Silbe des Wortes zum anderen: Mal kann ein Zeichen aber auch ein Fleck oder Makel sein. Die Summe der Denkmäler auf die man trifft, sind Zeichen für ehemalige oder noch andauernde Entscheidungsprozesse, für Werthaltungen oder schlicht für Machtkonstellationen. Sie kommunizieren – ob man will oder nicht – das Denken einer Epoche, das sich durchsetzen konnte. Das gilt für Kaiserpfalz, Burgkirche und deren Nutzung ebenso, wie für die, auf rein kommerziellen Erfolg ausgerichtete, privatisierte "Neue Mitte", für vergangene und zukünftige Projekte.

Der von uns nun gemeinsam zu verantwortende Haushalt 2012 wird demzufolge auch Zeichen setzen:

Grundelemente einer Symbolsprache, die die Bürger nicht nur verstehen, sondern mit der sie sich auch identifizieren sollen. Ein schwieriges Unterfangen, denn der demokratische, auf Interessenausgleich ausgerichtete Entscheidungsprozeß, ist langwierig und für diejenigen, – die sich nicht daran beteiligen – meist unverständlich.

Der über 30 Jahre andauernde Prozess der Stadtzentrumsbildung ließ in den vergangenen Jahren in Bevölkerung und Rat die Sehnsucht nach einem Instrumentarium aufkommen, welches eine beschleunigte Produktion vornehmlich von Bau-Denkmälern ermöglichen sollte. Auf Antrag von FWG und FDP wurde dazu eine Stadtentwicklungsgesellschaft, die sogenannte S E G I gegründet.

In der nun zu Ende gehenden Epoche des derzeitigen Oberbürgermeisters wurde das Instrumentarium – nur teilweise im Sinne der Erfinder bzw. der Antragsteller – "zur Serienreife entwickelt", welches auf den Prinzipien des Public-Private-Partnership, – also einer Partnerschaft von Öffentlicher Hand und investierenden Privatunternehmen – aufbaut. Sichtbares erstes Ergebnis ist die sogenannte Neue Mitte, nicht gerade ein FWG-Wunsch-Projekt, wie Sie ja wissen.

Mit den Weichenstellungen des Jahres 2011 wird der Haushalt 2012 mit weiteren Denkmälern "Zeichen setzen". Ich greife 3 wichtige Zeichen heraus:

Da ist zunächst das Areal des Rathauses zu nennen. Die Vergrößerung der Verwaltung zieht eine Rathauserweiterung nach sich. Außerdem wurde im Rat mehrheitlich die Verlagerung des WBZ und der Musikschule in das Stadtzentrum beschlossen und nicht zuletzt die Integration einer grosßen Stadthalle in diesen Komplex. Um es deutlich zu sagen, die FWG hält diese Zusammenballung von Baumassen im Stadtzentrum für problematisch, zumal die WBZ-Verlagerung mehr Fragen aufwirft als sie lösst. Aber die FWG hat den demokratischen Mehrheitswillen akzeptiert und wird sich auch weiterhin am Gestaltungsprozess dieses und anderer Projekte konstruktiv beteiligen! Der Europaweite Architekten-Wettbewerb gebar ein respektables Konzept, das unstrittig der Verbesserung bedarf. Wenn ein Entwurf realisert wird, dann muss es der des 1. Preisträgers sein!

Da ist als Teil der Bebauung des Ebertkarrées die städtische Zentralbibliothek mit Mediathek zu nennen. Mit Sorge betrachtet die FWG Tendenzen in Verwaltung, Parteien und städtischen Gesellschaften, Überlegungen anzustellen, wie Projekt-Entwicklung und -Investition privatisiert werden könnten und die Gebäude anschließend durch Vermietung an die Stadt betrieben werden könnten. Abgesehen davon, dass das Land die nicht investierte Liquidität dann abschöpfen könnte, müssten auf diesem Wege städtische Entscheidungsgremien nur noch eingeschränkt an den Entscheidungen beteiligt werden.

Ein solches Modell wäre eine Persiflage der ursprünglich von der FWG in anderem Zusammenhang befürworteten, Zusammenarbeit zwischen ortsansässiger Wirtschaft und der öffentlichen Hand, als sogenanntes Public-Private-Parnership. Diese Idee hat nur dann eine Berechtigung, wenn städtebaulich wichtiges Gelände aus städtischer Hand wieder einer privaten Wohn- oder Gewerbenutzung zuzuführen ist. Bei Öffentlichen Gebäuden würde eine solche Vorgehensweise tendenziell den Rückzug der öffentlichen Hand aus einer, allen Bürgern verpflichteten Gestaltung öffentlicher Räume. Öffentliche Räume, die von jedermann ohne kommerzielle Interessen zur Kommunikation genutzt werden sollen, gehören zu den Grundrechten der Bevölkerung, die nicht angetastet werden dürfen!

Die allgemeine Zurückhaltung bei den Anträgen aller Fraktionen ist bemerkenswert. Auch der scheidende Oberbürgermeister hat in seiner Haushalts Vorstellung bereits darauf hingewiesen, dass Ingelheim nicht auf Dauer die "Insel der Seligen" bleiben wird, und deshalb Haushalts-Disziplin in Hinblick auf schlechtere Zeiten angebracht ist. Es wäre allerdings aus unserer Sicht angebracht, nicht nur halbherzig den mahnenden Finger zu heben und gleichzeitig Personal- und Folgekosten zu erhöhen. Es sollte auch deutlich gesagt werden, wie man sich einen geeigneten Verwaltungs-Rückbau für den Fall vorstellt, den man nicht zu denken bereit ist. Dieser Konflikt wird in eine unbestimmte Zukunft verschoben, ohne sich über das wie auszulassen.

Im Bewusstsein, dass die tatsächlichen Probleme des Haushalts vorher nur sehr begrenzt absehbar sind, aber auch im Bewusstsein des allerseits guten Willens, mit seinen Anträgen den Bürgern der Stadt Nutzen zu stiften, trägt die FWG zusammen mit den anderen Fraktionen diesen Haushalt 2012 mit.

Für die FWG-Fraktion im Stadtrat

Karl-Georg Proksch